Unsere Geschichte


„Die Familie Maucher-Anneser und ihr Leben mit und für die Mineralien“

– ein Beitrag von Maria-Sophia Anneser –

 

Wilhelm Maucher,1904

Wilhelm Maucher, 1904

Unsere Firma wurde 1909 von Dipl.-Ing. Wilhelm Maucher, damals unter dem Namen „Süddeutsche Mineralienzentrale“, in der Schellingstraße in München-Schwabing gegründet.

 

Wilhelm Maucher, geboren 1879 in Winterstettenstadt an der baden-württembergisch-bayerischen Grenze, hatte bereits mit 21 Jahren als Diplom-Eisenhütteningenieur sein Studium abgeschlossen und war in der Folgezeit Lehrer an der Königlich-Sächsischen Bergakademie in Freiberg. Im Zuge seiner Lehrtätigkeit veröffentlichte er 1907 ein eigenes Lehrbuch, den „Leitfaden für den Geologie-Unterricht an Berg- und Hüttenschulen und anderen technischen Lehranstalten.“

Als die Mineralienfunde aus der Tsumeb-Wüste – aus der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika – nach Deutschland gebracht wurden, oblag es der Freiberger Mineralien-Niederlage, die Funde zu sichten und an weitere Institute zu verteilen. Hierdurch erhielt Maucher die fast einzigartige Möglichkeit, äußerst vielfältige Mineralien wissenschaftlich zu untersuchen und seine Ergebnisse zu publizieren,[1] was ihm große Anerkennung in Fachkreisen einbrachte.

 

1909 heiratete Wilhelm Maucher die ebenfalls aus dem Baden-Württembergischen stammende Frieda Spieß. Für das frisch vermählte Ehepaar stellte sich die Frage, selbständig unternehmerisch tätig zu werden. Wilhelm Maucher gab seine sicherere Beamtenposition auf – ein durchaus mutiger Schritt – und gründete in Münchens Schellingstraße 73 seine eigene Mineralienhandlung als erste überhaupt in Süddeutschland und zweite in ganz Deutschland!

 

Die neue Geschäftsadresse „Schellingstraße“ war sehr bewusst gewählt: Genau in der Mitte zwischen den geistigen Zentren der Technischen Universität und der Ludwigs-Maximilians-Universität konnte Wilhelm Maucher gute Geschäftsbeziehungen zu den zahlreichen Instituten, Wissenschaftlern und Sammlern aufbauen und festigen.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Mineralogie im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in den höheren Bildungsschichten einen hohen Stellenwert genoss. Der Wohlstand und das wissenschaftliche Interesse des Münchner Bürger- und Unternehmertums sorgten schnell dafür, dass die Süddeutsche Mineralienzentrale florierte.

 

Wilhelm Maucher verstand sich – neben seiner kaufmännischen Tätigkeit – vor allem als Wissenschaftler. Im Rahmen seiner Forschungen entdeckte er bereits 1903 ein bis dato unbekanntes Mineral, das zu Ehren von Prof. Dr. Karel Vrba die Bezeichnung Vrbait (Tl4Hg3Sb2As8S20) erhielt.

1912 fand Wilhelm Maucher ein weiteres noch unbekanntes, in Eisleben (Sachsen-Anhalt) vorkommendes Mineral, das nach ihm Maucherit (Ni11As8) benannt wurde.

   

Auch die Fossilien Senariocrinus maucheri und Palasterina maucheri tragen seinen Namen.

 

Wilhelm Maucher blieb auch in seinem Unternehmen seiner wissenschaftlichen Linie treu. Sämtliche Mineralien wurden von ihm und seinen Mitarbeiterinnen detailliert auf den dazugehörigen Etiketten beschrieben – tlw. sogar skizziert – und mit genauen Fundortangaben versehen.

Einzelne ausgesuchte mineralogisch interessante Mineralien bewahrte Wilhelm Maucher – neben seiner eigenen Sammlung von Kostbarkeiten[2] – auf. Anhand dieser wollte seine Theorie zur Kristallisation der Mineralien belegen. Er hatte für sein geplantes, großes Werk der Mineralparagenese bereits zahlreiche Skizzen und Notizen angefertigt.

Doch zur Verwirklichung des Buchprojekts kam es nicht mehr. Wilhelm Maucher starb 1930 im Alter von nur 50 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit.

 

Wilhelm Maucher war ein engagierter Unternehmer. Einen Ruf an die Universität von Freiberg lehnte er schweren Herzens ab; er wollte die selbst aufgebaute Firma nicht aufgeben.

In der Mineralogie hatte er seine Berufung gefunden; die Liebe zu den Mineralien – seinen „zweiten Kindern“, wie er sie nannte, – ließ ihn auch im Privaten nicht los.

 

Elisabeth Maucher-Anneser, 1930er Jahre

Nach dem plötzlichen Tod Wilhelm Mauchers musste dessen jüngste Tochter Elisabeth Maucher – mangels Interesse ihrer beiden älteren studierenden Brüder[3] – das Unternehmen übernehmen.

Die junge Frau hatte zwar von ihrem fürsorgenden Vater bereits einiges über Mineralien gelernt und häufig im Geschäft mitgeholfen; dennoch musste sie sich erst in ihre neue unerwartete Stellung einarbeiten. Dies wurde ihr durch die Tatsache erleichtert, dass das Geschäft zu dieser Zeit bereits über einen umfangreichen, erlesenen Mineralienbestand sowie über einen kleinen, aber exzellenten Stab von Mitarbeitern verfügte.

 

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Geschäftsräume in der Schellingstraße komplett zerstört. Als Ersatz bot Karolina Kammermeier ihrer Schwester die Kellerräume ihres Hauses in der Gleichmannstr. 9, die wegen der Hanglage im rückwärtigen Teil Parterreräume sind, für einen bescheidenen Mietzins an, sodass der Geschäftsbetrieb mit wenigen geretteten Mineralien wieder aufgenommen werden konnte.

 

Die wieder aufblühende Firma Maucher, die bald in die günstig gelegeneren Verkaufsräume zur Straße hin umzog, prägte in den Nachkriegsjahren wie zahlreiche andere Familiengeschäfte das Stadtbild des wiederaufgebauten und -aufstrebenden Pasings.

 

Schaukasten an der Gleichmannstraße

Das Warensortiment wurde dem sich allmählich ändernden Kundenstamm angepasst: Neben den herkömmlichen Mineralienbeständen bot sich den Pasingern eine umfassende Auswahl an Edelstein-Schmuck, Gravuren und sonstigen polierten und rohen Edelsteinen in sämtlichen Varianten und Formen. Auch auf zahlreichen Mineralien-Messen im In- und Ausland konnte sich Elisabeth Maucher-Anneser mit ihrem Unternehmen dank der tatkräftigen Hilfe ihrer Mitarbeiter sowie ihres Ehemanns Hans Anneser und der Söhne Christoph und Johannes mit ausgesuchten Waren präsentieren.

 

Insbesondere dem unermüdlichen Einsatz von Elisabeth Maucher-Anneser ist es zu verdanken, dass die Traditionsfirma über 100 Jahre lang bestand; ein Zeitraum, den sich Wilhelm Maucher vermutlich nie hätte träumen lassen. Obwohl Elisabeth Maucher-Anneser das Geschäft als junge Frau nur widerwillig aus Pflichtgefühl übernommen hatte, wuchs es ihr in all den Jahren so sehr ans Herz, dass sie dessen Geschicke noch bis ins hohe Alter von 95 Jahren als Seniorchefin mitbestimmte.

 

Neben ihrer Arbeit im Geschäft war Elisabeth Maucher-Anneser auch sozial engagiert. So unterstützte sie z.B. im Heliand-Bund und Müttergenesungswerk bedürftige Familien und Kinder. Lange Zeit war sie erste Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes Pasing.

1987 erhielt sie als Anerkennung für ihre karitative Tätigkeit die Medaille „München leuchtet“ in Bronze sowie 1997 das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten.

 

Bereits 1996 hatte Elisabeth Maucher-Anneser ihrem jüngsten Sohn Johannes Anneser die Geschäftsführung übergeben. Dieser war schon als Kind kontinuierlich in die Geschicke des Geschäfts hineingewachsen und hatte nach dem Abitur Mineralogie an der Universität Tübingen studiert.

 

Unter seiner Leitung wurde das Geschäft in die renovierten und neu gestalteten Kellerräume zurückverlegt und das Angebot nochmals ausgeweitet.

 

Trotz immer stärker werdender Konkurrenz im Internet kann sich das Geschäft nach wie vor durch die handverlesene Auswahl an Mineralien, Trommelsteinen, sonstigen polierten Formen (z.B. Kugeln und Herzen aus Edelsteinen), selbstgefertigten Edelsteinketten und Fossilien höchster Qualität sowie fachkundige Beratung behaupten.

 

Johannes Anneser zieht sich seit 2018 nach über 50 Jahren Geschäftserfahrung mehr und mehr aus der Leitung zurück und überlässt diese seiner Lebensgefährtin Andrea Schnetzer sowie seiner Schwägerin Rosa Emma Anneser.

Das Team von heute: Rosa Emma Anneser, Johannes Anneser und Andrea Schnetzer

 


[1]    Die Erzlagerstätte von Tsumeb im Otavi-Bezirk im Norden Deutsch-Südafrikas, in: Zeitschrift für praktische Geologie, S. 24-35, XVI. Jahrgang, 1908.

Vortrag vor der Freiberger Geologischen Gesellschaft mit dem Titel „Die Blei-Kupfererzlagerstätten vonTsumeb im Otavi-Bezirk im Norden Deutsch-Südafrikas, abgedruckt in: 1. Jahresbericht der Freiberger Geologischen Gesellschaft, S. 20-21, 1908.

 

[2]    Diese sind heute in die Sammlung des Geowissenschaftlichen Zentrums der Universität Göttingen integriert.

 

[3]    Prof. Dr. Albert Maucher studierte ab 1926 Metallhüttenkunde an der TH Aachen. 1947-1973 war er Professor und Vorstand des Instituts für Allgemeine und angewandte Geologie und Mineralogie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er stiftete den Albert-Maucher-Preis für Geowissenschaften.

Dr. Herbert Maucher studierte Eisenhüttenkunde in Freiberg/Sachsen.

 

 

Literatur von Wilhelm Maucher

  • Wilhelm Maucher, Leitfaden für den Geologie-Unterricht an Berg- und Hüttenschulen, Freiberg, 1907.
  • Wilhelm Maucher, Die Bildungsreihe der Mineralien als Unterlage für die Einteilung der Erzlagerstätten, Freiberg, 1914.
  • Wilhelm Maucher, Die Erzlagerstätte von Tsumeb im Otavi-Bezirk im Norden Deutsch-Südafrikas, in: Zeitschrift für praktische Geologie, S. 24-35, XVI. Jahrgang, 1908.
  • Vortrag Wilhelm Mauchers vor der Freiberger Geologischen Gesellschaft mit dem Titel „Die Blei-Kupfererzlagerstätten vonTsumeb im Otavi-Bezirk im Norden Deutsch-Südafrikas, abgedruckt in: 1. Jahresbericht der Freiberger Geologischen Gesellschaft, S. 20-21, 1908.

 

Literatur über Wilhelm Maucher

  • Grünling, Friedrich, Maucherit Ni3As2, ein neues Nickelmineral aus den Kobaltrücken des Mansfelder Kupferschiefers, in: Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, 1913, S. 225–226.
  • Götter, Heinz-Dieter, Maucher, Familienchronik + Firmenhistorie, AHM Sammlungsbuch Folge 2, 2006.
  • Witzke, Thomas/Thalheim, Klaus/Massanek, Andreas, ERZGEBIRGE – Minerale mit einer Typlokalität in Sachsen: Berbaugeschichte, Mineralienschätze, Fundorte, 2018, S. …

 

Literatur von Albert Maucher

  • Albert Maucher, Die Entstehung der Kieslagerstätte von Bodenmais (Dissertation), München 1932.
  • Albert Maucher, Bildungsgeschichte der Kieslagerstätte im Silberberg bei Bodenmais. in: Abhh. d. Bayer. Oberbergamtes 11, 1933, S. 1–36 (mit F. Hegemann)
  • Albert Maucher, Entstehung der Kieslagerstätte in Lam im Bayer. Wald. in: Chemie der Erde 9, 1934, S. 173–99
  • Albert Maucher, Entstehung der Passauer Graphitlagerstätten. in: Chemie der Erde 10, 1935, S. 539–65
  • Albert Maucher, Kieslagerstätte der Grube „Bayerland“ bei Waldsassen (Oberpfalz). in: Zeitschrift für angewandte Mineralogie 2, 1939, S. 219–75
  • Albert Maucher, Zur alpinen Metallgenese in den bayer. Kalkalpen zwischen Loisach und Salzach. in: Tschermaks mineralog.-petrogr. Mitt. 4, 1954, S. 454–63
  • Albert Maucher, Erzmikroskopische Untersuchungen an Blei-Zink-Lagerstätten im Raume von Trento. in: Mitteilung der geologischen Gesellschaft, Wien 1955, S. 139–54.
  • Albert Maucher, Über das Gespräch. Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München 1961
  • Albert Maucher, Bildkartei der Erzmikroskopie. Umschau Verlag, Frankfurt a. M. 1961 (Bildkartei der Erzmikroskopie / Lfg. 1 ff. (1961 ff.)) (mit G. Rehwald).
  • Albert Maucher, Die Lagerstätten des Urans, Braunschweig, 1962.
  • Albert Maucher, Geologisch-Lagerstättenkundliche Untersuchungen im Ostpontischen Gebirge (=Bayerische Akademie der Wissenschaften, Mathem.-Naturwissensch. Kl., Abhandl., Neue Folge; Heft 109), München, 1962.

 

Literatur von Herbert Maucher

  • Herbert Maucher, Der Lohn in der Wirtschaft (Dissertation), Singen, 1947.
  • Herbert Maucher, 15 Gespräche über Lohn und Leistung (= Sozialarchiv 3), 1953.
  • Herbert Maucher, Stellungnahme zu den „Arbeitsstudien“ der IG Metall, Köln, 1959.